Bankier Hans

Bankier Hans

Erzählung


"Meine Bank ist eine Kathedrale! Und die stürzt niemals ein!", Bankier Hans

1923. Die Zeit der goldenen Geschäfte.

Bankier Hans, ein mächtiger Mann, genießt das Nichtstun. Nur heute, ausnahmsweise, leistet er es sich. Im Café im Park beobachtet er die Gäste, wie er es gewohnt ist. Und die beiden Fräulein am Nebentisch gefallen ihm auf Anhieb!

Sie sind arglos wie die meisten Menschen, kleiden ihre Jugend in allzu luftige Kleider und lesen feixend eine bunte Zeitung. Sie kichern, als ihre glänzenden Blicke zu ihm herüberfliegen. Die beiden haben wirklich keine Ahnung, wer er ist! Aber das wird er ihnen schon beibringen!

Bloß die gewaltige Tasche zu ihren Füßen stört Bankier Hans erheblich. Besonders, als er Unmengen an Geld darin ausmacht. Wie gut, dass die beiden dummen Dinger eine große Erbschaft mit sich herumtragen! Das Geld und die Frauen - beides wird heute seine Beute sein!

Aber gerade heute trügt der Schein. Und selbst der herrliche Sommertag bringt am Ende nichts als den Tod.

Probelesen:


Der Tag war wie geschaffen fürs Nichtstun. Die Sonne erhellte sonst dunkle Ecken, und bestrich alle Dinge rings mit wärmendem Glanz. Nur der Wind wagte, leicht, unmerklich fast, einen kühlenden Hauch dagegen. Er ließ die Blätter sich regen und die Äste, an denen sie hingen. Bewegten Schatten spendete er so für die, die sich ausruhten unter diesem Dach und Atem schöpften, um den Glanz des Tages zu überstehen.

Bankier Hans war einer jener Müßiggänger. Nur heute leistete er sich dies Nichtstun, bloß heute gönnte er sich Zeit dafür. Auch er musste doch einmal ausruhen!

Für gewöhnlich füllte er seine Tage wie auch ungezählte Nächte damit, das von vielen Ersparte in seiner Bank lohnend beiseitezuschaffen. Das Geschäft war ihm ein kostbarer Freund, der ihn vollends verstand. Es trieb ihn mit Gier an im Alltag und leitete ihn darin niemals fehl. Bankier Hans war dankbar für dies Geschäft. Er hätte es schlechter treffen können. Unvorstellbar, wäre es nicht zu ihm gekommen! Es schenkte ihm ein Leben im Luxus, eines von Bedeutung, ließ seine Worte gewichtiger scheinen als die Wahrheit. Wie leicht alles war, wie dumm und schwach die Anderen!

„Meine Bank ist eine Kathedrale!“, pflegte er zu sagen.

Erst das Geschäft, sein Freund, lehrte ihn die Männer seines Schlages erkennen. Es stellte ihn vor bei ihnen, rückte ihn ins rechte Licht, gar in ihre Mitte. Diesen Männern fühlte er sich verbunden, waren sie doch wie er: Die Gier raste in ihren Augen, wenn sie an sich rafften, was Wert besaß, wenn sie zerstörten in Wut, was sich nicht hergab und leben wollte, ohne Zwang und ohne Not. Wenn nicht ihnen, sollte es keinem gehören!

Bankier Hans fühlte stolz: Er war ein bedeutender Mann, einer von Welt! Einer, der alles bewegen konnte! Die Kleinen in der Welt schauten auf zu ihm, während sie in ihrer Armut versanken.

Und er? Er rettete sie vor dem Ärgsten, gab Almosen aus und spendete ihr letztes Geld. Sie bejubelten ihn dafür. Er gab jenen die Richtung vor, die eine Richtung nötig hatten, offenbarte denen den Weg, die ihn marschieren sollten.

Es gab die, die ihm sagten, er müsse eines Tages einstehen für alles das, was er heimlich getan hatte bis dahin, öffentlich. Die wies er ab. Sie raubten ihm nicht die Ruhe.

„Das kann mir nicht passieren!“, pflegte er zu sagen. „Lieber falle ich tot um!“

Immer lachte er laut danach. Und er glaubte daran! Schließlich war seine Bank eine Kathedrale.

„Kathedralen stürzen niemals ein!“

Doch heute wollte er diese Gedanken ruhen, die Gier sich abkühlen lassen. Hier im Schatten, mit einem feinen Wein in der Kehle. Heute wollte er ausruhen von seinem Geschäft, dem Freund. Hier unter den sanft wiegenden Blättern im Gartencafé.

Gut gelaunt schweifte sein Blick deshalb über die Gäste. Und blieb an dem hellen Lachen hängen, mochte nicht mehr weiter ziehen.

Göttinnen gleich saßen sie in seiner Nähe. Gleich am Tisch gegenüber, im Gartencafé, tranken sie starken Kaffee und schwatzten angeregt. Zwei junge Damen, die den Tag genossen.

Bankier Hans lehnte sich zurück, nippte an seinem Wein, registrierte. Alles stimmte. Die teuren Kleider und das Rouge, das ihre Jugend frisch unterstrich. Die modischen Frisuren, eine hell und sportlich kurz, die andere dunkler und weich geformt. Ja, die beiden lebten auf der Sonnenseite des Lebens.

Und ihre Körper erst! Ihre Jugend umgab sie bei jeder Regung, ihre Aura drang gar bis zu ihm, schien ihn zu umgarnen, bis er reglos und glücklich gefangen war.

Tief atmete Bankier Hans diese Jugend ein, die ihm abhandengekommen war. Er war sogar versucht, die Augen zu schließen dabei, doch seine Neugier hielt sie offen. So sah er weiter hinüber zu den Damen. Zu gern wäre er ihr Gefährte geworden für einige Stunden, doch das war nicht sein Naturell, gestand er sich ein. Lieber wollte er sie weiter studieren, ihre Schwächen entblößen, ganz so, wie er es bei seinem Geschäft zu tun gewohnt war. Dann erst ...

Eine große Tasche, zwischen ihnen unter dem Tisch verstaut, störte Hans allerdings beträchtlich.

...

© Copyright: 2025 Andreas Krauße. Alle Rechte vorbehalten. Geistiger Diebstahl ist nicht nett - und übrigens strafbar.

Datenschutz       Impressum       Startseite




Free AI Website Creator