Erzählung
Sep 2023, 2. Auflage, bei tredition
"Jeder Stern leuchtet, jeder nach seiner Art!", Agnello Partecipazio, Doge von Venedig, 810.
Sommer 810. Vor der Stadt der Träume im Rivoalto.
Estrella, die Fischerin, entdeckt sie als Erste: Die Franken sind vor Venedig gelandet! Über Nacht haben sie das Wasser der Lagune geteilt. Und nur ein Steinwurf trennt sie noch vom Rivoalto. Wenn sie die Stadt erreichen, werden sie jeden Traum darin verbrennen!
Estrella setzt aus Liebe zu ihrer Heimat alles auf eine gefährliche Karte. Es scheint, als ob nur sie den verhassten König Pippin lange genug aufhalten kann! Doch was wird aus ihr in diesem tödlichen Spiel?!
Probelesen:
Ganz nahe versank plötzlich etwas Schweres patschend im Wasser. Als ob Steine fielen! Estrella wischte die Tränen fort und lauschte.
Fremde Worte drangen barsch durch den Nebel.
Die junge Frau hielt das Boot reglos und sah sich aufmerksam um. Sie konnte nicht weiter als bis zum Ende der Ruder sehen, doch sie spürte die Wellen gegen den Rumpf des Bootes vibrieren, hörte das dumpfe Poltern der Steine über den Grund. Das Wasser war plötzlich unruhig und verschmutzt, seine gewohnte Strömung gelähmt. Irgendetwas stimmte nicht.
Wieder erklang das Patschen, herrschten die Worte danach.
Da drückte Estrella entschlossen die Ruder durch das Wasser und schob das Boot voran. Sie wollte herausfinden, was hier geschah. Dazu musste sie aus dem Nebel heraus.
Zuerst sah sie nur eine Fahne sich träge im Nebel wiegen. Doch es war nicht der Löwe von San Marco, der da erwachte.
"Der Adler der Franken!", flüsterte Estrella schaudernd.
Seit Tagen schon reckte der seine schwarzen Schwingen drüben auf Malamocco, der lang gestreckten Insel, die die Lagune schirmte vor dem Meer. Bauchige Seeschiffe waren mit ihm gelandet und zahllose Krieger, deren Rüstungen vom Salz der Überfahrt glänzten.
Die Bewohner Malamoccos konnten einzig ihr Leben zum Rivoalto hinüber retten. Dorthin, wo auf den Inseln der Lagune Venedig entstand. Hier erhofften sie sich Schutz, versprach die flache Lagune rings den tief im Wasser liegenden Frankenschiffen Einhalt.
'König Pippin will Venedig strafen mit seinen Waffen!', tuschelten die Kanäle der Stadt seither furchtsam.
Gewaltig mussten diese Waffen sein, wenn sie zu führen so viele Krieger nötig waren!
Nachts hatte Estrella vom Wasser aus bereits die vielen lodernden Feuer auf Malamocco gesehen, an denen sich die Fremden wärmten. Hungrig hatte sie dem rauen Lärm des ungebetenen Lagers gelauscht, der die Fische vertrieb. Verführerisch hatten die Braten geduftet, die nun die Bäuche der Franken füllten. Was würden sie tun, wenn alle Braten aufgegessen waren?
Gefährlich nahe an die Stadt gerückt flatterte der Adler im aufkommenden Wind. Höhnisch reizte er den Löwen von San Marco, der ihn von den Türmen Rivoaltos aus argwöhnisch beobachtete. Wie kam er so nah vor die Stadt? Die Fischer hatten gesagt, die Lagune halte ihn fern!?
Das Boot durchfuhr eine letzte Nebelbank. Dahinter spiegelte sich die Sonne frei in der Lagune.
Estrella hielt bestürzt den Atem an.
...
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